Kälberblogger spricht über Kälberaufzucht in Amerika
(Fast) ewige Jugend

Vortrag mit Blogger auf der Leinwand

5000 Kühe, 36 Melkroboter – die Homestead Dairy im mittleren Westen der Vereinigten Staaten sprengt im Vergleich zu einem bayerischen Milchviehbetrieb jegliche Dimensionen. Der Tierarzt und Berater für Kälberaufzucht Dr. Peter Zieger reist regelmäßig in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, um sich dort über die neuesten Entwicklungen in der Kälberaufzucht zu informieren. Auf Instagram ist er unter seinem Account „kaelberblogger“ bekannt.

Was die Amerikaner unseren Landwirten vielleicht voraushaben und was bei uns hingegen besser läuft, das zeigte er auf einer Infoveranstaltung des Verbands für landwirtschaftliche Fachbildung (vlf) Regensburg in Zusammenarbeit mit Herbert Wendl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Regensburg-Schwandorf in Mariaort. Die ersten 40 Lebenstage eines Kalbes seien dafür entscheidend.

Biestmilch ist Superfood für neugeborene Kälber

Kolostrum heißt hier das Zauberwort. Es gilt als "Superfood für die ersten Lebenstage" eines Säugetieres. Die Biestmilch, wie sie bei Kühen auch genannt wird, ist auf die Bedürfnisse des neugeborenen Kalbes abgestimmt und weist nicht nur einen deutlich höheren Eiweißgehalt auf, sondern auch lebensnotwendige Schutzstoffe, Mineralstoffe und Vitamine.
Das sei prinzipiell nichts Neues, so Zieger. In der Tierzucht nicht und auch nicht in anderen Bereichen. Menschen würden Rinderkolostrum in Form von Kapseln zu sich nehmen und sich davon (fast) ewige Jugend erhoffen. Eine üppige Versorgung mit Biestmilch und später der „normalen“ Milch werde die Kälber ihr Leben lang prägen, denn eine intensive Fütterung verbessere die Darmgesundheit und die Barrierefunktion des gesamten Magen-Darm-Traktes. Je gesünder die Kälber, desto länger leben die Kühe und geben Milch.
Peter Zieger mit Prof. Bob James

"Es kann für einen Betrieb bis zu vier Liter Milch pro Kuh und Tag mehr ausmachen, wenn man die Tiere problemlos und möglichst stressfrei aufzieht."
Kälberblogger Dr. Peter Zieger (l., hier mit seinem Kälberblogger-Kollegen Professor Bob James)

Amerika und Deutschland: Zwei unterschiedliche Philosophien

In den Vereinigten Staaten dient der Erfolg der Kolostrumgabe als Grundlage für die Bezahlung der Angestellten. Von jedem Kalb werden dort nach mehreren Tagen Serum-Blut-Eiweiß-Werte genommen und so die Tätigkeit der Angestellten nachgewiesen. In Deutschland seien Blutproben hingegen bei Weitem nicht so verbreitet. Zieger rät dazu bei jedem Kalb.
Die wichtigsten Vorteile einer frühzeitigen und ausreichenden Kolostrum-Versorgung sowie einer optimalen Nährstoffversorgung in den ersten Lebenswochen mit ihren positiven Effekten auf die metabolischen Prägung würden aber auch die Amerikaner nicht vollständig nutzen: „In Deutschland achten wir darauf, eine Kuh möglichst lange im Stall zu behalten. Die Amerikaner hingegen legen auf eine längere Nutzungsdauer nicht so viel wert.“

Auswirkungen bis in die Enkelgeneration

Kuh
Wie sehr die Tage vor und kurz nach der Geburt die künftige Entwicklung eines Kalbes beeinflussen, zeigte Zieger anhand einer Studie zu epigenetischen Auswirkungen von Hitzestress. Angesichts des Klimawandels werde er in unseren Breiten an Bedeutung gewinnen. Die Studie wies nach, dass nicht nur die Kinder hitzebelasteter Mutterkühe weniger gesund waren und weniger Milch gaben. Sogar in der Enkelgeneration konnten noch negative Effekte nachgewiesen werden.